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Von blauen Briefen und dem rechten Timing

Irgendwie war ja zu erwarten, dass auch vor dieser Vollversammlung der Bischofskonferenz ein Brief aus Rom kommt. Ein blauer Brief mit mahnenden Worten. Der Inhalt ist dann aber doch ein echt starkes Stück. Mit moralischem Impetus und dem Verweis auf ja gerade laufende Gespräche wird, mit der unterschriftflichen Autorität dreier Kurienkardinäle und dem Verweis auf den Papst, dem Vorsitzenden der DBK quasi keine Wahl gelassen: Über die Satzung des Synodalen Ausschusses darf nicht abgestimmt werden.

 

Jetzt ist vielerorts die Aufregung groß. Die Forderungen sind zahlreich. Vom Ende des Synodalen Wegs sprechen die einen, zu zivilen oder in diesem Fall ekklesialem Ungehorsam rufen die anderen die Bischöfe auf. Tiefe Verzweiflung bei manchen Synodalen macht sich breit, teils Frustration ob verschwendeter Lebenszeit, Fatalismus bei wieder anderen. 

 

Beinahe sprichwörtlich ist mir mein Auftrag geworden: ich gehöre dem Team “kritisch, aber konstruktiv” an. Also mal aus dieser, meiner, Perspektive:

Wer nicht kommuniziert, kommuniziert trotzdem.

Seit mehreren Jahren bittet das Präsidium um Gespräche in Rom. Zu Gesprächen eingeladen werden nur die Bischöfe und die auch nur selten. Diese Kommunikationsverweigerung führt zu eben dieser jetzigen Situation. Die Verantwortung dafür ist in Rom zu suchen. Und beim Nuntius, der seiner Vermittlungsfunktion mitnichten gerecht wurde und wird. Punkt.

 

Gerufen haben die Bischöfe

Es waren nach der MHG Studie die Bischöfe, die die sogenannten Laien und auch die anderen Kleriker zu Hilfe gerufen haben, weil sie nicht wussten, wie sie mit der Krise des Skandals um tausende Fälle von Missbrauch durch Kleriker und deren Vertuschung umgehen sollten. Und die Diözesanbischöfe haben die Satzung des Synodalen Ausschusses im Oktober ohne Gegenstimme beschlossen. Die jetzige Situation zeigt, wie sehr ihr Amt in einer handfesten Krise steckt. Rom degradiert sie zu Filialleitern. Ihre Autorität ist nicht nur in Deutschland stark angezählt. Es gelingt ihnen derzeit nicht, überzeugend zu vermitteln, dass ihr Amt mit echter verbindlicher Beratung stärker, weil im wahrsten Sinne des Wortes fundierter, wird. Denn um eben diese verbindliche Beratung geht es — und nicht etwa um ein Abschaffen der Hierarchie. So oft Rom, emeritierte Kurienkardinäle oder Wiener Erzbischöfe auch das Gegenteil behaupten und die Konstitution der Kirche gefährdet sehen wollen. So viel Aufrichtigkeit muss sein: Der Bischof bleibt auch in Deutschland der Bischof und damit der Leiter und Hirte seiner Diözese — auch wenn er sich verbindlich beraten lässt und nicht wie bisher nur, wenn ihm danach ist. 

 

Die Inhalte dürfen nicht auf der Strecke bleiben

Auf dem Synodalen Weg ging es um mehr als die zukünftige Gestalt eines neuen Beratungsgremiums. Viele weitere wichtige Inhalte, in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit, eine erneuerte Sexualmoral, ein erneuertes Priesterbild etc. wurden beraten und beschlossen. Die jetzige Situation ist absolut kein Grund, in diesen Fragen nicht weiterzugehen. Und zwar um der Grundintention des Synodalen Wegs willen: die Kirche weniger anfällig zu machen für Machtmissbrauch. Schließlich war der Schrecken über die systemisch beförderte sexualisierte Gewalt der Auslöser. Das bitte nicht vergessen! Und zu diesem Problemfeld kommt aus dem Rest der Weltkirche — neben all der Kritik am Synodalen Weg — kein Wort des Gegenvorschlags zu einer Problemlösung.

 

Jetzt ist die Zeit

Warum Rom gar so panisch reagiert, weiß ich natürlich auch nicht. Es zeigt aber: die Themen kommen offensichtlich zur rechten Zeit.  Die Weltsynode hat gezeigt: ähnliche Themen gären auf der ganzen Welt. Deutschland hat gerade wohl die Rolle der Teilkirche, die die Dresche bekommt, während in anderen Teilen der Welt ähnliche Gremien durchgewunken werden. Vielleicht weil der Zusammenhang zum Machtmissbrauch deutlicher gemacht wird.  Vielleicht auch, weil die Art der Entstehung für römische Ohren fremd ist. In jedem Fall aber ist das Timing des Synodalen Wegs genau richtig. 

 

Und persönlich?

Ich bin weder irritiert noch enttäuscht. Wut spüre ich — über so viel bewusste Ignoranz, Texte anständig zu lesen und sich den Themen zu stellen. Aber sollte der Synodale Weg und der Ausschuss, dessen gewähltes Mitglied ich bin, nicht weitergehen, dann bleibt er halt ein Torso. Die Lebenszeit war nicht verschwendet. Die Aufregung jetzt zeigt das deutlich. Denn der Geist ist aus der  Flasche …

Für viele Synodale und auch andere reformorientierte Katholik:innen stellt sich die Frage, ob sie Mitglied einer Kirche bleiben können, die Machtbegrenzung nicht ernsthaft probiert. Das sind aber keine Kurzschluss- oder Trotzreaktionen, sondern echte Gewissensentscheidungen. 

 

 

Zu guter Letzt: eine hypothetische Alternative

Mal angenommen, Rom schriebe mal keine Briefe und ließe uns Deutsche einfach machen. Dann hätten wir in Bälde einen funktionierenden Synodalen Ausschuss, der Konflikt wäre nur innerhalb der DBK und der Teilkirche — denn mindestens vier Bischöfe kämen ja weiterhin nicht — und auch das “Kampfbeten” mancher Gruppen hörte bestimmt nicht auf. Ja, und alle Anliegen, für die es “Rom” bräuchte, die würden so ignoriert wie einst Beschlüsse der Würzburger Synode. Wäre das besser? Nein! Ein bisschen froh bin ich ja, dass diese “Wir-sitzen-das-aus-Taktik” der Römer zu Ende ist. Wobei es deutlich bessere Alternativen gäbe: z.B: synodales Hören und Sprechen statt autoritärer Machtworte.

 

Konstantin Bischoff

von der Synodalversammlung in den Synodalen Ausschuss gewählt

vom BVPR durch Wahl in die Vollversammlung des Synodalen Wegs entsandt