Es gibt für alles im Leben den richtigen Zeitpunkt. Der Synodale Weg läuft nun Gefahr, diesen Kairos zu verpassen. Denn durch die Verschiebung der für Februar 2021 geplanten Synodalversammlung auf den Herbst wird wertvolle Zeit ungenutzt verstreichen.
Natürlich gibt es gute Gründe für eine Verschiebung: die schwierigere, weil noch ungewohnte Kommunikation in einer digitalen Versammlung, die gründlichere Vorbereitungsmöglichkeit der Beschlussvorlagen. Und natürlich ist das Votum der Synodalen zu respektieren, das das Präsidium eingeholt hat.
Schon die Synodalversammlung im September hat nicht stattgefunden. Stattdessen gab es die 5 Regionenkonferenzen. Offenbar haben viele Synodale rückgemeldet, dass die Kommunikation in der kleineren Gruppe und ohne den Druck, Entscheidungen treffen zu müssen, gut gelungen ist. Das habe ich auch so erlebt. Allerdings geht es im Synodalen Weg nicht um unverbindlichen Meinungsaustausch. Wenn dem so wäre, wäre ich nicht dabei. Es geht darum, Postion zu beziehen und dass sich eine breite Mehrheit auf Beschlüsse einigt. Eine zweite Verschiebung ist auch ein Ausweichen vor dem notwendigen Prozess der Entscheidungsfindung.
Mit der Verschiebung sind erste Entscheidungen frühestens 2022 möglich. Anschließend wird es auch noch Zeit brauchen bis die Entscheidungen von den Bischöfen umgesetzt werden. Von den Forderungen, die weltkirchliche Fragen und Entscheidungen aus Rom oder gar ein Konzil erfordern ganz zu schweigen.
Hat die Kirche wirklich diese Zeit angesichts eines erdrutschartigen Vertrauensverlusts der eigenen Gläubigen? Angesichts der durch die Decke schießenden Austrittszahlen?
Das Pontifikat Franziskus‘ hat ein Fenster für Reformen geöffnet. Auch dieses Fenster des Pontifikats wird sich absehbar schließen, und niemand vermag zu sagen, was folgen wird. Auch im Blick darauf gilt es, den Kairos nicht zu verpassen.
Die Verschiebung spielt all jenen in die Hände, die auf die Bremse treten wollen und auf Zeit spielen, weil sie Angst vor Veränderung haben. Wenn ich den Fortgang des Synodalen Wegs bremsen wollte, hätte ich auf die Anfrage des Synodalpräsidiums wohl auch das hohe Lied auf die ach so schöne unverbindliche Diskussion der Regionalkonferenzen gesungen.
Wir pr4syn haben uns auf die Anfrage des Präsidiums klar für eine digitale Versammlung ausgesprochen. Eine digitale Versammlung abzuhalten birgt natürlich Risiken. Aber noch mehr Chancen! Parteien wie derzeit die Grünen machen es vor, dass es möglich ist, auch ein Grundsatzprogramm digital zu beraten und zu beschließen. Das ZdK hält seine Versammlung aktuell erfolgreich digital ab. Bei der Erklärung zur Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt war sogar ein Zuwachs an Partizipation erkennbar. Und mit allen Hakeleien hat auch die anspruchsvolle Antragsdiskussion mit einigen Änderungsanträgen erstaunlich gut funktioniert. Das zeigt: Wir können das! Und es gibt noch einige ungenutzte Möglichkeiten, Beteiligung und gute Diskussionskultur digital zu ermöglichen.
Ich selbst habe im März zum ersten Mal an einer Videokonferenz teilgenommen. Ich lerne immer noch hinzu, bin genervt über Schwierigkeiten, aber staune vor allem über die Chancen der Digitalität. Es wäre doch ein schönes Zeichen, wenn sich Kirche auch im Bereich der digitalen Welt als lernend und anschlussfähig zeigen würde!
Marcus Schuck