Die Autorität des Synodalen Wegs muss wachsen

Zwischen Amtsgewalt, die einer Person aufgrund ihrer formalen Macht zukommt, und Autorität, die immer von anderen zugeschrieben wird, besteht ein Unterschied. Dieser lässt sich an Erzbischof Rainer Maria Woelki exemplarisch verdeutlichen: Er hat in den letzten Monaten formal nichts an bischöflicher Amtsgewalt eingebüßt, aber durch sein Verhalten bei der Aufklärung der Missbrauchsverbrechen und ihrer Vertuschung massiv an Autorität verloren. Die meisten Menschen vertrauen ihm nicht mehr. Auch wenn er sich im Amt halten sollte - er wird nur noch geringe Gestaltungsmöglichkeiten haben. Über seine Person hinaus ist die ganze Kirche von diesem verheerenden Autoritätsverlust betroffen.

 

An diesem Vorgang wird deutlich, dass es gerade in Krisenzeiten mehr auf Autorität als auf formale Macht ankommt – und in einer fundamentalen Krise befindet sich die katholische Kirche durch die Verbrechen sexualisierter Gewalt, die offenbar durch das System Kirche begünstigt werden. Die deutschen Bischöfe haben das erkannt und darum gemeinsam mit dem ZdK den Synodalen Weg initialisiert. Ob er sich als ein Weg aus der Krise erweisen wird, hängt entscheidend davon ab, welche Autorität er gewinnen wird.

 

Auf formale Macht kann sich der Synodale Weg nicht stützen. Dass er keine kirchenrechtliche Grundlage hat: Geschenkt. Dass er nicht nach den Maßstäben einer repräsentativen Demokratie zusammengesetzt ist: Geschenkt. Dass er zwar Beschlüsse fasst, diese aber erst durch jeden einzelnen Bischof in Kraft gesetzt werden müssen – ganz zu schweigen von dem, was weltkirchlich entschieden werden muss: Geschenkt. - Entscheidend wird sein, welche Autorität die Beschlüsse haben werden.

 

Diese Autorität muss Schritt für Schritt auf dem Weg erarbeitet werden. Autorität wächst durch den Mut, die Wahrheit zu sagen und den Finger in die Wunden zu legen, auch wenn es schmerzt. Diese freimütige Rede habe ich bei der ersten Synodalversammlung im Januar 2020 und den Regionalkonferenzen in September als befreiend erlebt. Viele Synodale haben den Mut, Klartext zu sprechen. Das ist neu in unserer Kirche, in der oft Angst vor Repression oder Bedürfnis nach Harmonie herrschen. Ich bin zuversichtlich, dass das so bleibt.

 

Autorität wächst im Ringen um die richtigen Entscheidungen in gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe. Hier ist es entgegen mancher Darstellung nicht so, dass sich eine Front zwischen Laien und Klerikern zeigt. Eine große Mehrheit – einschließlich der Bischöfe – will wirklich Veränderung. Allerdings wird es ein spannender Prozess, auf welche Veränderungen sich eine breite Mehrheit verständigen wird – im Hören auf den Geist Gottes.

 

Autorität wird durch Transparenz gewonnen. Da sind es richtige Zeichen, dass die erste Synodalversammlung gestreamt wurde und die anstehende Online-Konferenz live übertragen wird. Die Prozesse in den thematischen Foren müssen allerdings auch so transparent wie möglich gestaltet werden – besonders für diejenigen Synodalen, die nicht in den Foren mitarbeiten, und ebenso die Öffentlichkeit. Entscheidungen müssen in einem transparenten Verfahren und mit größtmöglicher Beteiligung getroffen werden.

 

Entscheidend wird sein, wie stark das ganze Volk Gottes am Synodalen Weg Anteil nimmt und sich einbringen kann. Bei der Partizipation ist bisher noch viel Luft nach oben. Zu viele haben resigniert und trauen der Kirche keine Reformen mehr zu. Die Synodalen müssen darum sowohl theologisch fundiert, als auch - gerade in die kirchliche Öffentlichkeit hinein - mit einer verständlichen und klaren Sprache sprechen. Es muss auch erkennbar sein, dass nicht nur Papier produziert wird, sondern sich Dinge schon bald spürbar verändern.

 

Noch ist nicht ausgemacht, ob der Synodale Weg die notwendige Autorität gewinnen wird. Sie muss auf dem Weg hart erarbeitet werden, Schritt für Schritt, von allen Beteiligten.

 

Marcus Schuck