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Gretche(n)-Fragen

Die sogenannte „Gretchenfrage“ bezeichnet laut Wikipedia eine „an den Kern einer Sache gehende Frage, die die Absichten und die Gesinnung des Gefragten aufdecken soll. Sie ist dem Gefragten meistens unangenehm, da sie ihn zu einem Bekenntnis bewegen soll, das er bisher nicht abgegeben hat.“

 

Ich meine, die Synodalversammlung und insbesondere die Bischöfe haben sich hinsichtlich jedes Forums so einer Gretchenfrage zu stellen:

 

Das Forum Macht hat bisher einen Grundtext und mehrere Handlungstexte verabschiedet. Auf dem Weg dahin ist es durchaus auch mal in die Krise geraten: Werden sich die Bischöfe darauf einlassen, Entscheidungsmacht abzugeben, Kontrollinstanzen zuzulassen, sich ggf. einem erweiterten Wahlgremium und Rechenschaftspflichten zu stellen? Es wird Zeit, sich öffentlich an die Beschlüsse der Synodalversammlung zu binden (aber dazu mehr in einem kommenden Blogartikel)!

Das Priesterforum ist bereits in der Onlinekonferenz im Februar mehr als deutlich darauf hingewiesen worden, dass sie sich bisher weitestgehend um ihre Gretchenfrage herummogeln:  Wofür braucht es ein sakramentales Amt, und wie müssen die Zulassungsbedingungen dafür aussehen?

Der jetzt veröffentlichte Text spricht in allzu blumiger Sprache an den meisten Stellen eben keinen Klartext. Wäre es da nicht ehrlicher, zu sagen: an diese Fragen trauen wir uns nicht heran?! In 1-2 Jahrzehnten könnten sich die Fragen dann sowieso von allein erledigt haben. (Dazu mehr in unserem aktuellen Zwischenruf: …..)

 

Das Frauenforum hat noch keinen Grundtext veröffentlicht, so hängen die drei Handlungstexte etwas in der Luft.  Die aktuelle Veröffentlichung von Ute Leimgruber „Catholic Woman. Menschen aus aller Welt für eine gerechte Kirche“ (Echter-Verlag) macht deutlich, dass weltweit Frauen ihre Stimme gegen Diskriminierung und Gewalt erheben und Hoffnungen auf unseren synodalen Gesprächsverlauf setzen. Die Frage nach der Gleichberechtigung für Frauen ist mitnichten eine rein deutsche.

Gretchen fragt hier die deutschen Bischöfe: Traut Ihr Euch,  für die deutsche Ortskirche in Rom die Zulassung von Frauen zu Leitung und allen Ämtern zu fordern und Vorreiter für viele andere zu werden?

 

Und schließlich scheint mir das Sexforum auf einem guten Weg, muss aber auch noch mehr Mut fassen, die Dinge klarer beim Namen zu nennen.
Die Kernfrage ist: Wieviel Freiheit und Selbstverantwortung traut man (erwachsenen!) Menschen zu, mit ihrer jeweiligen Sexualität umzugehen?
Haltung der Kirche und Lehrveränderung ist hier unbedingt nötig, wenn man bedenkt, dass sich erwachsene Menschen nicht länger in Unmündigkeit Vorschriften machen lassen. Insbesondere von jenen, die offenkundig von gelebter Sexualität kaum eine Ahnung oder sich gar selbst eklatant versündigt haben.

 

Die eigentliche Gretchenfrage ist nach den aktuellen Entwicklungen der letzten Tage jedoch weit grundsätzlicher: Wie falsch können sich Bischöfe noch verhalten, bevor sie ihr Amt verlieren?

 

Und meine eigene Gretchenfrage lautet inzwischen: Wie lange bin ich eigentlich noch bereit, mit Bischöfen zusammenzuarbeiten, die ihres Amtes nicht würdig sind, es an menschlichen Umgangsformen mangeln lassen und ihr Gewissen offenbar bei der Weihe in Rom abgegeben haben.

 

 

Esther Göbel