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Außerhalb des Herrenhandtäschchens?

Die Frage nach einem persönlichen Fazit am Ende des Synodalen Wegs ist für mich nicht die Frage nach meiner privaten Meinung, meiner persönlichen Zufriedenheit mit den Ergebnissen oder meiner Einschätzung von Erfolg oder Scheitern des Synodalen Wegs. Als Delegierte für die Berufsgruppe der Pastoralreferent*innen ist es für mich eher die Frage, wie zufrieden wir als Berufsverband sein können, welche Erfolge wir vorzuweisen haben und wo wir hinter unseren Möglichkeiten zurückgeblieben sind.

 

Mitten im Synodalen Weg haben wir als Berufsgruppe unser 50-jähriges Bestehen gefeiert. Christiane Florin hatte in ihrem Festvortrag drei Wünsche für uns: 1. Eine Kirche, in der die Menschen gleichberechtigt sind “und wenn Sie ein Mann sind, der einen Mann liebt (oder eine Frau, die eine Frau liebt), dass Sie das öffentlich, kirchlich und fröhlich tun — und nicht heimlich und mit Angst.” 2. Dass wir uns nicht zum Verrechnungsobjekt machen lassen, sondern Subjekt bleiben. Und 3. Groß zu denken und zu sprechen und nicht in der Enge des Herrenhandtäschchens.

 

Der erste Wunsch hat sich zumindest zum Teil erfüllt. Von Gleichberechtigung im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit kann zwar nicht gesprochen werden. Nur ein kleiner Schritt ist gelungen mit der „Verkündigung durch Laien“, denn die geht zwar im Wort (Predigterlaubnis) noch durch, im Sakrament aber eher nicht und es bleibt bei der Frage nach „Frauen in sakramentalen Ämtern“ nur bei einer erneuten Prüfanfrage für den Frauendiakonat, nicht aber bei der Forderung nach Öffnung aller Ämter für alle Geschlechter. Das ist viel zu wenig! Damit können wir als geschlechtsgemischte Berufsgruppe nicht zufrieden sein.


Ein Erfolg dagegen ist, dass wir mit dem Rückenwind von #outinchurch heute eine neue Grundordnung haben, in der wir uns als queere Mitarbeitende nicht mehr verstecken müssen und dass wir „öffentlich, kirchlich und fröhlich“ wiederverheiratete und queere Paare segnen können. Mit dem Text „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“ wird endlich aus der Hinterzimmer-Grauzone geholt, was in die öffentliche Freiheit unter den bunten Segenbogen gehört. Auch die Anerkenntnis, dass Mann und Frau nicht in exklusiver Binarität, sondern in inklusiver Polarität mit Spielraum zu denken ist, ist ein Erfolg für uns, denn wir haben auch Trans- und Inter-Kolleg*innen. Nicht umsonst tragen wir seit zwei Jahren das Gendersternchen im Verbandsnamen.

 

Der zweite Wunsch ist sicher eine Frage der Perspektive. Oft haben wir mit uns gerungen, ob wir den Kompromissen auf Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners noch zustimmen können und sollten, weil „Etwas“ immer noch besser als „Nichts“ ist. Ob wir uns haben unter Druck setzen oder in Geiselhaft nehmen lassen oder doch als Subjekte in der Versammlung gewirkt haben, werden die Kolleg*innen sicher unterschiedlich bewerten. In drei Punkten haben wir aber sicher als Subjekte der Synodalversammlung gewirkt: Mit dem GO-Antrag auf 2/3-Quorum der Frauen/Nicht-Männer haben wir ihnen trotz deutlicher Unterzahl Stimmgewicht gegeben. Mit der Idee eines wirksamen Zeichens der Umkehr und der Umsetzung in der Performance „verantwort:ich“ haben wir dem Synodalen Weg etwas wesentlich Gutes hinzugefügt. Und mit unseren profilierten und fundierten Statements, Zwischenrufen, Blogartikeln und Beiträgen bei z.B. Feinschwarz konnten wir nicht nur unser Berufsprofil in der öffentlichen Wahrnehmung schärfen, sondern an mancher Stelle auch Deutungshoheit gewinnen.

 

Ob wir dem 3. Wunsch gemäß immer groß genug gedacht haben? Ich fürchte: Nein. Wir sind und bleiben Teil des Systems Kirche. Wir sind durch unsere Anstellung befangen und wir haben sicher auch blinde Flecken. Den Anspruch, außerhalb unseres Herrenhandtäschchens zu denken und zu sprechen, geben wir dennoch nicht auf. 

 

Esther Göbel

 

 

Replik von Marcus:

Selbstwirksamkeit wird ja die Erfahrung genannt, die du für unser Subjekt-Sein auf dem Synodalen Weg beschreibst, Esther. Ich habe das wie du erlebt, dass wir gestaltet haben und zuweilen gar „out of the Herrenhandtäschchen“ gedacht haben. Damit bin ich – jenseits aller unzureichenden Beschlüsse und Prozesse – sehr zufrieden. Wir haben viel investiert und für unsere Berufsgruppe als #team einiges erreicht: an Aufmerksamkeit, Vernetzung und Fortschritten in konkreten Punkten. Du hast sie beschrieben.

Das Projekt Synodaler Weg endet für uns vier. Aber der Weg geht weiter — nicht nur für Konstantin. Wir dürfen nicht aufhören, einzutreten für die Schwachen und Verletzlichen in unserer Berufsgruppe, unserer Kirche und unserer Gesellschaft und uns nicht abfinden mit dem engen Raum des Herrenhandtäschchens, auch wenn es heute im hipperen Outfit eines Hip Bags daherkommt.